Worber Post, Ausgabe 06/2020 - Matthias Marthaler

Avatar of SP Worb SP Worb - 25. June 2020 - Zeitungsartikel

Vaterschaftsurlaub

«Was? Du willst mir sagen, zwei Tage nach der Geburt lässt ein Schweizer Vater die Mutter alleine zu Hause?» Mein Gesprächspartner, ein Offizier der Armén – schwedische Landstreitkräfte – war etwas irritiert. Wir sprachen, während des Reinigens unseres Fahrzeuges, über das Vatersein. Für ihn war es unvorstellbar, dass Mann wenn ein Neugeborenes zur Welt kam, nicht mindestens einen Monat zu Hause anpackte, mitorganisierte und entlastete.

Ich – 2008 noch kinderlos – kam etwas ins Grübeln. Er meinte, ein Vater, der gerade dann nicht zuhause bei seiner Familie sein wollte, wäre für ihn eine… (Zitat) «Pfeife». «Das hat doch mit Verantwortung und der Fähigkeit Prioritäten zu setzen zu tun! Wir würden so jemandem keine Führungspositionen anvertrauen!» Zur Verteidigung, mein Kamerad wusste nicht, dass das eidgenössische Recht nicht mehr hergab. In Schweden, las ich später bei Wikipedia, war die «Elternzeit » schon seit 1974 gesetzlich verankert. Frischgebackene Väter, die «zu früh» wieder an ihrem Arbeitsplatz auftauchen, werden bezüglich ihrer Fähigkeit, Verantwortung zu tragen, kritisiert.

Besonders von der bürgerlichen Seite, wird gerne betont, wie wichtig gerade männliche Vorbilder für Kinder sind. Also geben wir den Vätern die Chance, sich von Beginn weg darum zu bemühen. In den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt sollte ein Vater seinen Mann stehen, ohne Diskussionen und Verhandlungen mit dem Chef, um der Mutter bei der doch beträchtlichen Lebensumstellung zur Seite zu stehen.

Die Schweiz, als eines der produktivsten und reichsten Länder der Welt, kann sich ein paar Wochen Vaterschaftsurlaub leisten. Insgesamt ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Schweiz eine riesige Herausforderung. Der Vaterschaftsurlaub wäre dabei zwar nur ein kleiner, aber dennoch wichtiger Schritt. Zudem sollte sich dann auch niemand mehr hinter der Unvereinbarkeit mit Karriere und Berufsalltag verstecken können. Vielleicht sind dann eines Tages auch bei uns die Väter, die nicht für ihre Kinder da sind, schlicht «Pfeifen».

Matthias Marthaler, Sekretär SP Worb, Mitglied GGR 

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